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14. Dezember 2022

Wenn Natur weicht, muss Ersatz her

Wenn Natur weicht, muss Ersatz her Ökopunkte: Wie in Osterrönfeld Bauprojekte umweltgerecht ausgeglichen werden

Zwei Männer stehen vor einem See

Wer mit Ökopunkten handelt, braucht gutes Schuhwerk. Thomas Hinrichs trägt Wanderstiefel, als er an einem traumhaften Spätsommertag über die Weide im Süden von Osterrönfeld stapft. Der Landschaftsplaner arbeitet für die Firma „ecodots“ und ist oft in unwegsamem Gelände unterwegs. Begleitet wird Hinrichs von Sönke Bosholm. Der 53-jährige Osterrönfelder ist Eigentümer eines 4,5 Hektar großen Flurstücks neben dem „Stadtmoor“. Hinrichs und Bosholm haben geschäftlich miteinander zu tun. Beide sind einen Deal mit einer virtuellen Währung eingegangen, mit Ökopunkten.


Bauträger können sich von Ausgleichspflicht freikaufen

Die Hauptrolle bei diesem Handel aber spielt die Natur. Und das, was die Natur verdrängt, zerstört. Wo Gewerbegebiete und Straßen entstehen, wird Landschaft versiegelt. Kaum eine Kommune und ein Investor sind in der Lage, Ausgleichsflächen auf eigener Gemarkung auszuweisen. Doch wer baut, ist genau dazu verpflichtet. So will es das Naturschutzgesetz. Mit Ökopunkten können sich Bauträger von der Pflicht gleichsam freikaufen.

Ein Dienstleister wie „ecodots“ bietet diese Punkte an. Die Firma sorgt dafür, dass an anderer Stelle Flächen nach ökologischen Kriterien aufgewertet werden. Das Unternehmen verwandelt Landstücke mit eigenem Personal in artenreiches Dauergrünland, renaturiert Bäche, legt Gewässer an, pflanzt Streuobstwiesen oder schafft Lebensraum für Amphibien, Reptilien und Vögel.

„Wir setzen Maßnahmen zum Natur- und Artenschutz um und können sie als Ökopunkte verkaufen“, erklärt der Planer der „Ecodots GmbH“ das Grundprinzip. „Großen Wert legen wir darauf, dass die jeweilige Maßnahme auch wirklich in die Natur und die Region passt.“ Die Flächen bleiben im Eigentum der Auftraggeber, diese erhalten dafür eine Nutzungsentschädigung. Die Vereinbarung gilt ohne zeitliche Befristung. Grundstücke ab einem Hektar kommen infrage, auch Ackerflächen. „Wir wollen keine Konkurrenz zur Landwirtschaft sein, sondern ein weiteres wirtschaftliches Standbein bieten“, so Hinrichs.

Auf dem Grundstück von Sönke Bosholm wurde ein etwa 100 Meter langer Knick neu angelegt. Er grenzt die Weide jetzt vom benachbarten Maisacker ab. Das Erdreich für den Bau des kleinen Walls wurde ressourcenschonend an Ort und Stelle entnommen. Entstanden ist dadurch ein kleiner Weiher, in dem sich Amphibien und andere Tiere ansiedeln sollen. Zu den Naturschutzauflagen zählt, dass Bosholm die Weide einmal im Jahr mähen und das Mahdgut beseitigen muss. Landwirtschaft ist weiter möglich, aber nur in Form von extensiver Beweidung. Pro Hektar ist höchstens ein Tier zugelassen.

„Ecodots“ spricht bei der Vermarktung von einer „Win-win-Situation für Landbesitzer, Bauherren und unsere Natur“. Dem stimmt Sönke Bosholm uneingeschränkt zu. Er versichert, dass es ihm nicht ums Geld geht. Als passionierter Jäger ist er ohnehin gern und viel in der Natur. „Ich freue mich jeden Tag, wenn ich hier bin, wirklich“, sagt der letzte Inhaber des „nah & frisch“-Marktes an der Dorfstraße von Osterrönfeld. Das Geschäft ist seit Ende 2020 geschlossen. „Ich wollte mich daran erfreuen, dass ich auf meinem Stück Land etwas für die Natur getan habe.“

Auf dem Grundstück des Osterrönfelders hat „ecodots“ rund 32000 Ökopunkte erzielt. Mit dieser Menge lässt sich an anderer Stelle rechnerisch der Bau eines 7,5 Hektar großen Gewerbegebiets aufwiegen. Welches Projekt tatsächlich mit den Ökopunkten aus Osterrönfeld ausgeglichen wird, erfährt Bosholm nicht. Er weiß nur, dass es im mittleren Landesteil sein wird. Denn die erworbenen Ökopunkte und das dazugehörige Projekt müssen sich innerhalb eines Naturraums in Schleswig-Holstein befinden – Hügelland, Geest oder Marsch.

 

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags:

Quelle: Rendsburger Tagespost
Datum: Mittwoch, 28. September 2022
Autor: Frank Höfere

Störer, grüner Hintergund